WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Datenschutz: Wie viel Ihr neues Auto über Sie weiß – und weitergibt

Wirtschaft Datenschutz

Wie viel Ihr neues Auto über Sie weiß – und weitergibt

Elektroauto BMW i3 Elektroauto BMW i3
Moderne Autos sammeln auch Informationen rund um den Zustand der Batterie – wie stark sie vor dem Laden entleert war und wie sie geladen wurde
Quelle: dpa
Erstmals wurde in Deutschland systematisch untersucht, welche Informationen Autos über ihren technischen Zustand, die Bewegungen und damit über uns sammeln und weitergeben. Das Fazit ist beunruhigend.

Es ist schon ein bisschen her, da konnte man an seinem Wagen noch einiges selbst reparieren und starrte nach dem Öffnen der Motorenhaube nicht nur auf eine Blackbox. Die Schrauber wussten viel über ihr Auto – und das Auto nichts über seinen Besitzer oder Fahrer. Heute ist das häufig umgekehrt.

Moderne Pkw sammeln inzwischen unzählige Daten. Beim Fahren, beim Stehen – einfach immer. Die genaue Position melden die Navigationssysteme. Fahrstrecke, Durchschnittsgeschwindigkeit und Beschleunigungsverhalten werden von Sensoren und elektrischen Systemen festgehalten. Selbst ob und wie oft man die Fensterheber nutzt, wird gespeichert. Das meiste davon bekommt der Fahrer oder Halter gar nicht mit.

Dass intelligente Systeme in Autos Daten sammeln, muss nicht grundsätzlich kritisch gesehen werden, im Gegenteil: Es ist hilfreich und kann die Verkehrssicherheit steigern. Damit die zahlreichen Assistenzsysteme funktionieren können, ist eine Vielzahl von Daten notwendig. Und autonomes Fahren braucht noch viel mehr Informationen, als die Fahrzeuge heute liefern. Die spannende Frage ist dabei aber: Was passiert mit diesen Daten? Und wer hat Zugriff darauf?

Mercedes B übermittelt alle zwei Minuten Daten

Der ADAC hat dazu eine Studie erstellt, die mit dem Grundlegenden beginnt. Mit dem Befund, welche Daten die Autos eigentlich sammeln und speichern. Zunächst wurden vier Fahrzeuge daraufhin untersucht, ein BMW 320d, ein BMW i3, ein B-Klasse von Mercedes und das Elektroauto Renault Zoe.

Das Ergebnis der Tests zeigt also nur einen Ausschnitt und kann keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Dennoch ist das Fazit aufschlussreich – und ein Stück weit auch beunruhigend.

Nehmen wir die Mercedes B-Klasse. Die übermittelt etwa alle zwei Minuten die GPS-Position des Fahrzeugs sowie Kilometerstand, Verbrauch oder Reifendruck an den Hersteller. Auch die Zahl der Gurtstraffungen wird gespeichert, etwa wenn der Fahrer stark bremst. Oder sogenannte Statusdaten, Füllstände von Kühlmittel, Wischwasser oder Bremsflüssigkeit.

BMW zählt auch die Straffungen des Gurts

Bei den BMWs ist im Datensatz beispielsweise gespeichert, wie viele CDs und DVDs eingelegt wurden und wo genau das Auto in der letzten Zeit abgestellt wurde. Der 320d gibt preis, mit welcher Maximaldrehzahl das Auto gefahren wurde, welchen Kilometerstand der Wagen hat, wie oft die Position des Fahrersitzes verstellt wurde. Und ebenfalls die Zahl der elektronischen Gurtstraffungen.

Der i3 als Elektroauto ist besonders sammelwütig. Er speichert und meldet die Position der 16 zuvor benutzten Ladestationen, welchen Fahrmodus man bevorzugt, also ECO, ECOPlus oder Sport. Alle Informationen rund um den Zustand der Batterie, wie stark sie vor dem Laden entleert war und wie sie geladen wurde, zum Beispiel an einer Schnellladestation.

Ganz genau wollen es die Franzosen bei ihrem Elektroauto Renault Zoe. Bei jeder Fahrt, spätestens jedoch alle 30 Minuten, wird ein Datenpaket an Renault gesendet. Es übermittelt die Seriennummer, Datum, Uhrzeit, die Position, die Temperatur, Ladung und Zellspannung der Batterie. Nach den fest einprogrammierten Funktionen der Kommunikation zwischen dem Renault-Server und dem Zoe können diese Funktionen via Mobilfunkverbindung beliebig erweitern werden.

Aus banalen Informationen lässt sich ein Profil ableiten

Anzeige

Nun könnte man denken: Was kümmert’s mich? Dient ja der Sicherzeit und der Erfassung des Zustands der Autos. Doch die Daten geben auch viel über den oder die Fahrer preis. Logischerweise auch darüber, wo er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgehalten hat. Wo er sich sonst überwiegend so aufhält. Wie schnell er fährt, ob er ein Raser ist. Ob er auch sonst risikoreich fährt, lässt sich aus den Informationen des Gurtstraffers entnehmen.

Selbst die Informationen der Nutzung von Schnellladesäulen senden viele Sekundärbotschaften. Hatte es der Fahrer eilig? Plant der nicht gut? Hat der viel Stress? Ist ihm oder ihr egal, dass schnelles Laden die Lebensdauer der Batterie verkürzt?

Diese Kleinstinformationen klingen zwar banal und nebensächlich. Aus ihnen lässt sich aber ein Profil des Fahrers ableiten. Wenn man das denn will.

Autofahrer wissen oft nicht, was mit den Daten passiert

„Am Ende wissen andere Menschen, wie oft ein bestimmter Autofahrer zu McDonald’s geht“, sagt Christian Reinicke, Generalsyndikus des ADAC. „Tut er es oft, kann man sich fragen, ob der gesund lebt. Keine schöne Vorstellung, dass das jemand tut.“ Dass Autos Daten sammelten sei ja nicht neu. Neu ist, dass sie diese Informationen sofort und an verschiedenste Empfänger mittels drahtloser Datenübertragung weitergeben können.

Daher ist es wichtig, dass man weiß, welche Daten das Auto sammelt, welche es weitergibt. Und was dann damit geschieht. Aber genau das passiert nicht. Autokäufer werden darüber größtenteils im Dunkeln gelassen.

„Sie haben im Moment keine Chance, Klarheit zu bekommen“, heißt es beim ADAC. Im Kaufvertrag steht zumeist nur, dass im Betrieb Daten erhoben werden, die Werkstätten und Hersteller nutzen können. Details werden nicht genannt.

Konzerne würden für Auto-Daten viel Geld zahlen

„Die Hersteller blocken hier“, kritisiert der Automobilclub. Wer den Vertrag deshalb nicht unterschreiben will, muss unter Umständen sogar auf das neue Auto verzichten.

Anzeige

Denn es ist gar nicht so leicht, Angaben über sich selbst zu schützen. „Es gibt kein Dateneigentum nach deutschem Recht“, sagt Reinicke. Und die von der EU geplante Datenschutzgrundverordnung wird solche Eigentumsrechte nicht postulieren. Es kommt daher darauf an, ob es sich um personenbezogene Daten handelt oder um allgemeine Angaben zum Fahrzeug.

Dass ein Auto Daten zum Öldruck speichert und weitergibt, kann niemanden wirklich tangieren. Wohl aber der Versuch, ein Muster der Tank- oder Ladevorgänge zu erstellen. An diesen Informationen haben Mineralölkonzerne oder Energieversorger ein Interesse. Für diese Informationen würden sie viel Geld zahlen.

ADAC fordert von Autobauern totale Transparenz

Derzeit dürfen Hersteller technische Daten ohne Zustimmung der Betroffenen erheben – persönliche Daten jedoch nicht. Doch was ist bei einem Unfall, wo technische Daten eventuell Rückschlüsse auf den Ablauf zulassen? Dann können die technischen Daten zu personenbezogenen Daten werden. Vor Gericht kann damit das Recht des Fahrers tangiert werden, dass man sich nicht selbst belasten muss. Demzufolge ist die Erfassung der Daten ohne Zustimmung des Fahrers aus rechtlicher Sicht zumindest fragwürdig.

Der ADAC fordert deshalb totale Transparenz von den Autobauern darüber, welche Daten sie erheben und wie die verwendet werden. Außerdem sollten alle Personen oder Einrichtungen „mit berechtigtem Interesse“, damit sind auch freie Werkstätten gemeint, freien Zugang zu den verwendbaren Daten erhalten.

Dagegen wird sich die Autoindustrie massiv wehren. Denn sie verspricht sich von der Auswertung der Fahrzeugdaten gute Geschäfte.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema