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Pinkelnde Petra

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Puppe Petra  wurde für 9000 Euro verkauft. Und für Polizistinnen im Einsatz gibt es angeblich jetzt mehr Dixie-Klos.
Puppe Petra wurde für 9000 Euro verkauft. Und für Polizistinnen im Einsatz gibt es angeblich jetzt mehr Dixie-Klos. © dapd

Eine Polizistin aus Stahl und Silikon hat den Kunststudenten Marcel Walldorf berühmt gemacht. Denn Anfang des Jahres löste sein Werk "Pinkelnde Petra" einen waschechten Kunstskandal aus.

Eine Polizistin aus Stahl und Silikon hat den Kunststudenten Marcel Walldorf berühmt gemacht. Denn Anfang des Jahres löste sein Werk "Pinkelnde Petra" einen waschechten Kunstskandal aus.

Marcel Walldorf ist mal wieder zu Besuch in der Heimat. Sein früheres Atelier in einer denkmalgeschützten Scheune im Hanauer Stadtteil Steinheim wirkt idyllisch verfallen: In den Fenstern klaffen große Löcher. Ein roter Fleck an der Wand erinnert an das kreative Schaffen von einst, zwei alte Stühle stehen herum, an der Decke hängt eine orientalische Lampe. Hier liegen die kreativen Wurzeln des jungen Künstlers, der inzwischen bundesweit Furore gemacht und – obwohl noch Student – seine Werke für ansehnliche Preise bis nach London verkauft.

Auslöser dieser bemerkenswerten Karriere war eine Polizistin – keine echte zwar, aber doch eine sehr lebensnahe: Marcel Walldorf schuf sie als Kunststudent in Dresden aus Stahl und Silikon nach einem Modell aus Fleisch und Blut, mit echtem Haar, Helm und Uniform. Das wäre an sich noch nichts Außergewöhnliches: Doch der 27-Jährige stellte die Figur in der Hocke dar, mit heruntergelassener Hose und ließ sie ihre (sichtbare) Notdurft verrichten; das Ganze taufte er dann „Pinkelnde Petra“.

Zunächst hat das keinen sonderlich interessiert, obwohl das Werk bereits mehrfach auf Ausstellungen zu sehen war. Aber dann erhielt Marcel Walldorf für die „Pinkelnde Petra“ einen mit 1000 Euro dotierten Nachwuchspreis der Hamburger Leinemann-Stiftung für Bildung und Kultur.

Die Prämierung löste Anfang des Jahres einen richtigen kleinen Kunstskandal aus, der den jungen Hanauer bis ins Fernsehen und großformatig in die „Zeit“ brachte, die einen Diskurs führte, „wie politisch“ die Kunstakademie Dresden sein will. „Bild“ fragte schlicht: „Ist das Kunst?“

Walldorf versteht die Aufregung nicht

Maßgeblich zu Walldorfs Bekanntheit beigetragen hat auch der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU), der öffentlich von einer Beleidigung der Polizistinnen und einer Verletzung der Menschenwürde sprach. Auch die Gewerkschaft der Polizei zürnte.

Bis heute versteht Marcel Walldorf die Aufregung um sein Werk nicht recht: Nie wolle er mit seiner Kunst etwas bezwecken oder belege sie mit einer festen Bedeutung, sagt der Student. Und so habe er auch die „Pinkelnde Petra“ weder sexistisch noch diskriminierend gemeint und auch keine politische Aussage etwa gegen die Polizei treffen wollen.

Bei letzterer fühlten sich im übrigen vor allem „die Männer angepisst“, sagt Walldorf: „Die Frauen haben mich sogar als Sprachrohr entdeckt, weil ich ein Problem aufgegriffen habe. Denn bei Großeinsätzen sind sie viel schlechter dran als ihre Kollegen, die das einfach im Stehen erledigen können.“ So sei er auch auf die Idee gekommen, diese Situation künstlerisch darzustellen: „Ich habe mir überlegt, was machen Polizistinnen, wenn sie bei einem Einsatz müssen?“

Dass da einer nicht höhnen wollte, sondern mitgedacht hat, erkannte inzwischen auch die Polizei. Dort hat sich das Blatt für den Künstler inzwischen gewendet: Einer Entschuldigung folgte eine Einladung als „Ehrengast“ bei der Frauengruppe – und eine handfeste Konsequenz: Mittlerweile sollen bei Großeinsätzen angeblich mehr Dixie-Klos aufgestellt werden, damit es die Polizistinnen nicht so halten müssen wie die „Pinkelnde Petra“ sagt Marcel Walldorf. Das Objekt selbst ist übrigens verkauft, für 9000 Euro.

Sinn fürs Schräge

Einen Sinn fürs Schräge hatte der Künstler schon in ganz jungen Jahren. Seine kreativen Wurzeln liegen in der alternativen Hanauer Szene rund um die inzwischen abgerissene Schweinehalle, deren Fassade er immer wieder neu bemalte.

In den späten Neunzigern hinterließ Marcel Walldorf in Hanaus dunklen Ecken Spuren in Gestalt witziger „Afro-Frauen“, die er an die Wände plakatierte; die Originale sind heute so rar wie gefragt. Später durfte Walldorf mit seiner Künstlergruppe „Hanau Radau“ Unterführungen sogar im Auftrag der Stadt verzieren.

Marcel Walldorf studierte zunächst an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Malerei und wechselte dann an die Kunstakademie Dresden, wo er sich der Bildhauerei zuwandte. Bei dieser Kunstform könne er seine „Bauchidee“ direkter umsetzen, sagt er.

Gerne arbeitet Walldorf dabei auch mit unkonventionellen Materialien: toten Tieren beispielsweise. „Nobody’s perfect“ etwa zeigt den ausgestopften Kopf eines Pferdes, das eine Möhre auf der Stirn zum Einhorn macht. „Treudoof“ war dann wohl der Hund, der sich einmauern ließ, bis nur noch die Schnauze herausguckt. Und als ob dieser Anblick nicht traurig genug wäre, winselt das arme Vieh auch noch, wenn Besucher an ihm vorbeilaufen.

Eine eigenwillige Interpretation der „Bremer Stadtmusikanten“ hat Walldorf mit „Das Ende vom Lied“ geschaffen, wo er die Felle und Federn der vier Protagonisten übereinander gelegt hat. Zu sehen war das bei einem Dermatologenkongress, die Teilnehmer dürften beim Anblick zwischen Amüsement und betretenem Schlucken geschwankt haben. Was genau nach dem Geschmack des Künstlers wäre, der, wie er sagt, sehr gerne „Verblüffung“ auslöst und den Moment des Schmunzelns als den „erhabensten“ ansieht.

Für Marcel Walldorf hat sich mit der „Pinkelnden Petra“ alles geändert. Er hatte Einzelausstellungen in Leipzig und in Berlin, wird demnächst bei einer internationalen Kunstschau in der Hauptstadt vertreten sein, er verkauft gut.

Da klingt sein nächstes Ziele bescheiden: „In meiner Heimatstadt Hanau möchte ich demnächst wieder etwas machen.“

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